Neues zum PSA-Screening

27.06.2013

Neues zum PSA-Screening

(Dr. med. Hubert E. Weiß (27.06.2013)

Eine solche Reihenuntersuchung Gesunder auf Prostatakrebs mittels PSA-Test wird seit langem kontrovers diskutiert. Nun gibt es dazu neue Ergebnisse von der europäischen Studie ERSPC und aus der amerikanischen SEER-Datenbank.

Das PSA-Screening, also die regelmäßige Untersuchung beschwerdefreier Männer auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms mittels PSA-Test, wird immer noch nicht allgemein empfohlen und deshalb nicht als gesetzliche Krebsvorsorge durchgeführt. Denn es gilt nach wie vor als unbewiesen, dass seine Vorteile mögliche Nachteile überwiegen. Vorteile wären in diesem Zusammenhang vor allem die frühzeitige Erkennung eines Prostatakarzinoms und damit eine Verringerung der Sterblichkeit der Männer an Prostatakrebs. Zu den Nachteilen zählen die mögliche Überdiagnose und Übertherapie (unnötige Untersuchungen und Behandlungen mit möglichen Nebenwirkungen), weil wohl nicht jeder Tumor sich weiter ausbreiten und zum Tod führen wird.

Die derzeit aussagekräftigste Studie zu diesem Thema ist die noch weiter laufende ERSPC (European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer). Deren 9-Jahres-Ergebnisse wurden 2009 veröffentlicht und zeigten eine Senkung der Sterblichkeit an Prostatakrebs um 20% (wir berichteten, s. Diskussion um das PSA-Screening trotz positiver Ergebnisse). In einer schwedischen Studie von 2010, die Teil der ERSPC ist, betrug die Senkung nach 14 Jahren sogar 44% (wir berichteten, s. Erneut positive Ergebnisse beim PSA-Screening). Nun liegen die 11-Jahres-Ergebnisse der ERSPC vor, die von einer neuen Auswertung der amerikanischen SEER-Datenbank unterstützt werden:

Europäische Studie (ERSPC)

In diese Studie (Schröder et al.) wurden bis 2003 in sieben europäischen Ländern mehr als 160.000 Männer zumeist im Alter von 55 bis 69 Jahren aufgenommen und zufällig entweder der Screening-Gruppe (72.891) oder der Kontrollgruppe (89.353) zugeteilt. Der Screening-Gruppe bot man in der Regel alle 4 Jahre kostenlos zumindest den PSA-Test an, während die Kontrollgruppe kein solches Angebot erhielt.

Beim Vergleich der beiden Gruppen nach einer Nachbeobachtungszeit von jetzt durchschnittlich 11 Jahren war die Inzidenz des Prostatakarzinoms (der Anteil der Neuerkrankungen) in der Screening-Gruppe wiederum höher als in der Kontrollgruppe (9,6% gegenüber 6,0%). Dies vor allem weil Tumoren mit niedrigem Risiko für eine weitere Ausbreitung (T1-2, Gleason-Score bis 6) viel häufiger vorkamen, Tumoren mit hohem Risiko (T1-3 und Gleason-Score 8-10 oder T4 und Gleason-Score 2-10), mit Metastasen (M1) oder mit einem hohen PSA-Wert von mehr als 100 ng/ml seltener (zum TNM-System s. Wachstum und Ausbreitung des Prostatakarzinoms).

Dagegen lag die Zahl der Sterbefälle an Prostatakrebs in der Screening-Gruppe deutlich niedriger als in der Kontrollgruppe (299 gegenüber 462). Daraus errechnete sich, dass das Screening das Sterberisiko an Prostatakrebs um 1,07 Tote pro 1000 Männer senkt (absolute Risikoreduktion), das heißt um 21% (relative Risikoreduktion; sogar um 29% nach Korrektur z.B. um Männer, die sich nicht an die Studienvorschriften in ihrer Gruppe gehalten hatten). Um einen Todesfall an Prostatakrebs zu verhindern, müssen demnach 936 Männer an einem Screening teilnehmen und dabei 33 Tumoren entdeckt (und ggf. behandelt) werden. Die Gesamtsterblichkeit zeigte zwischen den beiden Gruppen jedoch keine Unterschiede.

Die letztgenannten Zahlen gingen im Vergleich zu den 9-Jahres-Ergebnissen deutlich zurück (damals 1410 Screening-Teilnehmer, 48 Tumoren), was sich bei längerer Nachbeobachtung noch fortsetzen dürfte, so die Autoren. Die Senkung des Sterberisikos an Prostatakrebs blieb dagegen fast gleich (20%, jetzt 21%), vermutlich weil die Nachbeobachtung noch zu kurz sei. Dieser Vorteil des Screening müsse aber gegen mögliche Nachteile abgewogen werden. So sei mit einer Überdiagnose von 50% zu rechnen, außerdem mit Nebenwirkungen der Prostatabiopsie und einem geringen Vorteil der radikalen Prostatektomie gegenüber dem Abwarten.

Das Fazit der Autoren: Die Auswertung nach weiteren zwei Jahren bestätigen die 9-Jahres-Ergebnisse, wonach das PSA-Screening die Sterblichkeit an Prostatakrebs senkt, die Gesamtsterblichkeit aber nicht beeinflusst. Es bedarf zusätzlicher Daten über die Vor- und Nachteile des PSA-Screening, bevor eine generelle Empfehlung möglich ist.

Amerikanische Auswertung (SEER)

Die SEER-Datenbank (Surveillance, Epidemiology, and End Results Database) ist das größte Krebsregister in den USA. Die Daten wurden jetzt ausgewertet (von Scosyrev et al.), um die Wirksamkeit des PSA-Screening abzuschätzen. Die Datenbank zeigt, so die Autoren, dass die Sterblichkeit an Prostatakrebs in den USA seit der Zulassung des PSA-Tests 1986 stetig sinkt. Ein Effekt, der nicht nur auf die zunehmende Verbreitung der Früherkennung mit dem PSA-Test, sondern auch auf die seither verbesserte Behandlung zurückgehen könne. Auch die Zahl der Männer, die bei Diagnosenstellung bereits Metastasen hatten, nahm ab. Dies sei abhängig von der Früherkennung, nicht aber von der Therapieverbesserung.

Deshalb sahen sich die Autoren die Zahl der Männer mit Metastasen von 1983 bis 2008 (dem neuesten komplett verfügbaren Jahrgang) genauer an: Die Häufigkeit von Prostatakrebs mit Metastasen bei Diagnosenstellung stieg mit dem Alter der Männer stark an und fiel in dem genannten Zeitraum insgesamt um ungefähr ein Drittel (etwa so stark wie in der ERSPC; v.a. Mitte der 1990er, also bald nach der allgemeinen Empfehlung des PSA-Tests und nach einigen großen Reihenuntersuchungen).

Dann rechneten die Autoren die Zahlen aus den Jahren 1983 bis 1985 (vor der Einführung des PSA-Tests) auf die Jahre 2006 bis 2008 hoch und von dort auf die gesamten USA: Ohne PSA-Test hätten dreimal so viele Männer bei Diagnosenstellung schon Prostatakrebsmetastasen. Im Jahre 2008 wären das in den USA etwa 25.000 statt 8.000 Betroffene. Das heißt, 17.000 Männern bleibt eine solche späte Diagnose erspart.

Auch dieser Vorteil der PSA-gestützten Früherkennung nahm mit dem Alter der Männer zu. Ob er ausschließlich dem PSA-Test zu verdanken ist, ließ sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Ebenso war aus den Ergebnissen nicht abzuleiten, wie hoch Überdiagnose und Übertherapie sind und in welchem Alter das Screening begonnen und beendet werden sollte.

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